Eine ideale Führungskraft muss nicht notwendigerweise eine „Führernatur“ sein. Weder Harry Truman noch Ronald Reagan entsprachen dem, was man sich heute unter einer Führernatur vorstellt. Beiden fehlte es z.B. gänzlich an Charisma. Viele erfolgreiche Führungskräfte, die Drucker in seinem Leben kennenlernte, entsprachen ganz und gar nicht dem gängigen Bild. Diese effektiven Führungskräfte waren sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, sie vertraten sehr unterschiedlich Werte und Meinungen und hatten sehr unterschiedlich Stärken und Schwächen. Das Spektrum reichte von übersprudelnden Extrovertierten bis hin zum Beinahe-Einsiedler.

Was sie alle erfolgreich machte, waren acht Kardinaltugenden, denen sie treu blieben:

  • Sie fragten sich: was ist zu tun? Was sind meine aktuellen Prioritäten!
  • Sie fragten sich: was ist gut für das Unternehmen?
  • Sie entwickelten einen Aktionsplan.
  • Sie übernahmen Verantwortung und trafen Entscheidungen.
  • Sie sorgten für effektive Kommunikationsstrukturen.
  • Sie konzentrierten sich auf Chancen.
  • Sie gestalteten ihre Meetings produktiv.
  • Sie dachten und sprachen von einem wir.

Nr. 1: Was ist zu tun?

Effektive Führungskräfte setzen sich Prioritäten. Sie konzentrieren sich auf 1 – 2 Aufgaben und zwar auf jene, die zum jeweiligen Zeitpunkt den größten Beitrag (Hebel) zum Unternehmenserfolg liefern können. Diese verfolgten Sie dann über einen entsprechend langen Zeitraum (z. B: 1 – 2 Jahre). Sie stellen sich aber noch eine weitere Frage: „Welche, der damit verbunden Aufgaben kann ich am besten?“. Auf diese konzentrieren sie sich, während sie die anderen entsprechend delegieren.


Nr. 2: Was ist gut für das Unternehmen?

Gefragt wird nicht: „Was ist gut für die Eigentümer?“ Oder „Was ist gut für die Mitarbeiter?“ ebenso wenig „Was ist gut für die Führungskräfte?… Natürlich wissen gute Manager, dass Aktionäre, Mitarbeiter etc. wichtige Größen sind, wenn es darum geht, Entscheidungen mitzutragen oder zumindest zu akzeptieren. Wichtig ist jedoch, dass eine Entscheidung richtig für das Unternehmen sein muss. Das gilt auch für Familienunternehmen. Nur jene Familienmitglieder sind im Management, die eindeutig den Nicht-Familienmitgliedern überlegen sind.


Nr. 3: Der Aktionsplan

Führungskräfte sind Macher: Sie setzen Dinge um. Noch so umfassendes Wissen vermag nichts auszurichten, solange es nicht in Taten umgesetzt wird. Die Frage, die sie sich stellen sollen lautet: „Welche Beiträge, Leistungen und Resultate sollte das Unternehmen innerhalb der nächste 12 bis 18 Monate von mir erwarten? Ein Aktionsplan ist eine Absichtserklärung, keine Verpflichtung! Er darf nicht zur Zwangsjacke werden. Im Gegenteil: Je erfolgreicher er ist, umso häufiger wird er angepasst. Mit jedem Erfolg ergeben sich nämlich neue Chance. Misserfolge verlangen nach einem Überdenken und Überarbeiten des Plans. Wichtig ist, dass alle Aktionspläne klare Vorgaben hinsichtlich der Ergebnisse (Effekte) haben und auch der Fortschritt periodisch überprüft wird. Nicht zuletzt muss der Aktionsplan die Grundlage des Zeitmanagements bilden. Ohne Aktionspläne werden Führungskräfte zu Gefangenen der Ereignisse.


Nr. 4: Verantwortung für Entscheidungen

Effektive Führungskräfte übernehmen Verantwortung. Sie konzentrieren sich auf Chancen, die sich Ihnen bieten und halten produktive Meetings ab. Führungskräfte wissen, dass keine Entscheidung wirklich getroffen wird bevor nicht klar ist,


  • wer für die Umsetzung verantwortlich ist,
  • und bevor nicht die Betroffenen und sonstigen Stakeholder informiert sind, bzw. die Entscheidung gutheißen bzw. zu mindestens akzeptieren.

Diese Entscheidungen müssen einer systematischen Überprüfung nach einem festgelegten Zeitplan unterzogen werden.Drucker geht von ca. einem Drittel richtig getroffener Personalentscheidungen in Unternehmen aus. Ein weiteres Drittel ist folgenlos und der Rest sind schlichtweg Fehlentscheidungen. Er empfiehlt daher wichtige Posten nicht durch Leute zu blockieren, die ihren Aufgaben nicht gewachsen sind. Nach ca. 6 – 9 Monaten ist in der Regel klar, ob das der Fall ist oder nicht.


Nr. 5: Effektive Kommunikationsstrukturen und Einbindung der Kollegen und Mitarbeiter

Effektive Führungskräfte übernehmen die Verantwortung für die Kommunikation.
Sie gehen zu jedem, mit dem sie arbeiten – den Abteilungsleitern, den Sachbearbeitern, den Kollegen und stellen Ihren Aktionsplan vor und bitten um deren Stellungnahme.


Nr. 6: Effektive Führungskräfte konzentrieren sich auf Chancen, nicht auf Schwächen

Gute Führungskräfte sehen vor allem Veränderung als Chance und nicht als Bedrohung.
Bereiche in denen Veränderungen Chancen bergen können sind z. B.

  • ein unerwarteter Erfolg oder Misserfolg des eigenen Unternehmens, der Branche oder der Konkurrenz
  • der Bruch zwischen der Realität, wie es sich darstellt und der, wie sie sein sollte, bezogen auf Produkte oder Märkte
  • Neuerungen im Produktionsprozess
  • Veränderungen des Denkens, der Werte, neues Wissen und neue Technologien

Die leistungsstärksten Leute sollten von Führungskräften auf Chancen und nicht auf Probleme angesetzt werden.


Nr. 7: Produktive Meetings

Effektive Führungskräfte halten produktive Meetings ab. Es gibt unterschiedliche Meetings, die unterschiedliche Formen verlangen.
Es gibt Berichtsmeetings, Entscheidungsmeetings, Meetings, die der Informationsgewinnung dienen oder Meetings, die zur Erarbeitung von Konzepten, Erklärungen usw. dienen. Alle sollten eine Reihe von Gemeinsamkeiten haben wie z.B. Vorbereitung, richtiger Teilnehmerkreis, Agenda, Zeitdisziplin, Protokoll, Maßnahmenplan und Follow up, um nur einige Kriterien zu nennen. Die Erfahrung lehrt: Sitzungen werden entweder produktiv gestaltet oder sie sind blanke Zeitverschwendung.


Nr. 8: Wir – Denken.

Effektive Führungskräfte denken oder sagen nicht „ich“, sondern „wir“ und sie sind die Ersten die zuhören, und die Letzten, die reden.


Fazit:

Gute Führungskräfte unterscheiden sich erheblich in ihren Persönlichkeiten, Stärken und Schwächen, Werten und Überzeugungen. Sie haben nichts weiter gemein, als dass sie effektiv arbeiten, eben das Richtige tun. Effektivität ist eine Disziplin, die man lernen muss. Diese Disziplin ist für jede Führungskraft auf jeder Ebene dieselbe, vom Leiter eines kleinen Bereichs bis hin zum CEO. Führungskraft zu sein ist kein Privileg, sondern eine Verpflichtung.


Quelle: Drucker, P.F. (2004), Kardinaltugenden effektiver Führung.